Damals um halb sechs

Es rattert und klappert,

der Wind reißt an Mänteln und Mützen,

es rattert und klappert,

man sieht Maskengestalten sich davor schützen,

auf dem Bahnsteig liegen noch Flaschen und andere Reste der Nacht,

Obdachlose wie tot auf Bänken in Säcke gehüllt,

von Kameras und Sicherheitsleuten überwacht,

etwas abseits sitze ich und nebendran,

spülen große, grüne Busse an der Straße einsame Reisende an,

sie nehmen ihr Gepäck und zerstreuen sich dann,

so wie einst auch ich,

so wie einst auch du,

damals morgens um halb sechs,

wir lächelten uns schüchtern zu,

doch dann gingst du fort,

und ich ließ es geschehen,

sitze nun hier und warte,

und wünsche mir dich wiederzusehen.

Immer wieder

Die Großväter dienten und fielen,

sind eingekerbt in große Gedenksteine,

Opa Emil mit den Granatsplittern im Kopf,

und dem Hass im Herzen,

wurde rau und kalt,

wie das Wetter an der Front,

gab seinen Hass weiter,

wusste sich nicht zu helfen,

ich will nicht hassen, kämpfen, leiden, sterben,

irgendwo im Nirgendwo,

bluten für 50m Acker,

für Nichts,

für einen Hügel, dem danach ein Name zugesprochen wird,

weil dort Hunderte ihr Leben ließen,

will nicht Fremde auslöschen,

welche ich nicht einmal sehe,

welche Freunde sein könnten,

aber leider auf der anderen Seite der Gräben kauern,

nach ihren Müttern und Göttern schreien,

wenn der Bauchschuss trifft,

wenn die Mörser heulen,

wenn mal wieder ehrenvoll gestorben wird,

mit Pisse und Scheiße in der Hose,

immer wieder und immer wieder,

und der Mensch hört nicht auf,

immer wieder und immer wieder,

lässt er seiner Grobheit freien Lauf

Der Smartphone Krieg

Seit langer Zeit veröffentliche ich mal wieder etwas, denn irgendwie wühlte der Krieg in mir herum und brachte mich dazu den Stift zu ergreifen und zwei Texte zu schreiben. Ich hoffe es geht euch allen soweit gut : )

Der Smartphone Krieg

Ruckelnde Bilder, hektisch gefilmt,

und ab zu Twitter, Facebook, Reddit, Tik Tok,

Jets und Fahrzeugkolonnen im Osten,

Truppenbewegungen in Echtzeit,

in den Nachrichten der milde Krieg,

keine staubigen Leichen unter Trümmern,

keine Körperteile auf dem Boden verteilt,

Aschehaufen in denen Zähne erkennbar sind,

und der Rest der Welt hält derweil den Atem an,

schickt Unterstützung,

und eine Woche später,

sieht man dann das Ergebnis in kurzen Clips,

helle Explosion, „Slawa Ukraini“, und ein Panzer weniger,

kocht aus mit meterhoher Flamme,

und Mütter wissen noch nicht,

dass sie bald um ihre Söhne weinen werden.

Platzlos

Was ist aus dir geworden guter Freund,

was mir gegenübersitzt wirkt so fremd,

Bitterkeit und Schmerz klagen aus deinem Gesicht,

und dein Gang, dein einst stolzer Gang,

ist einem Greis gewichen,

der sich dahinschleppt und hinkt,

vom Leben erdrückt,

an der Gesellschaft zerschollen,

in der du dich nicht mehr findest,

keinen freien Platz mehr verspürst.

Guter Freund, das Schreiben fällt mir schwer,

selbst unter dem endlosen Himmel,

spüre ich eine Enge, die mir den Hals zuschnürt,

die mir das Atmen erschwert,

wie muss es erst dir gehen,

du Leiderfüllter,

den die vergänglichen Freuden des Lebens,

in noch tiefere Löcher reißen,

wenn sie sich erschöpfen,

kein Abend des Lachens und des Zusammenseins,

ohne dass du die Angst verspürst,

vor der Stille und der Einsamkeit danach,

die dich auseinanderreißen wollen,

die wie ein Dolch im Magen,

ein Hocker zum Strick dir sind,

und so wendest du dich ab vom Glück,

Stück für Stück, bis nur noch das Elend bleibt,

dieses teerige, verschlingende Ungetüm,

das dich umgibt und lenkt,

von dem du dich lenken lässt,

denn es ist manchmal leichter nachzugeben,

als zu kämpfen, wenn man keinen Sinn im Sieg sieht,

nur eine Verlängerung des Leidens,

wenn die Endgültigkeit des Todes,

nur noch Erlösung verspricht,

Gott nicht half, an den sich gewendet wurde,

selbst in der Not nicht ansprechbar war,

sich nicht zu erkennen gibt.


Guter Freund, wenn du gehst,

werde ich weinen,

am Grabe stehen,

und Blumen niederlegen,

nicht fragen nach dem „Warum?“,

denn das weiß ich, sondern nur hoffen,

dass du gefunden hast,

was du suchtest, was du ersehntest,

und endlich frei bist,

von deinem Schmerz,

deinen Ketten und betrauern,

dass es am Ende nicht mehr gab,

was dir Hoffnung und Halt versprach,

ich tat, was ich konnte,

musste Distanz wahren,

um nicht von deinem Sog aus Kummer eingesogen zu werden,

was schmerzhaft war und ist,

du gehst in das große Unbekannte,

und alles, was ich mir erhoffe,

ist, dass ein Seelenband besteht,

welches uns verbindet,

und wir uns wiedersehen.


P.S. Mit dem „neuen“ Textsystem von WP komme ich noch nicht ganz klar (Abstände usw.). Verzeiht bitte

Ausverkauf

Du sitzt auf einem Klappstuhl und rauchst,
vor diesem schönen, alten Haus,
oben steht ein Fenster weit offen,
und unten ein buntes Schild:
„Bis zu 80%, großer Räumungsverkauf!
Sie wollen, wir haben,
alles von der Uhr bis zum Knauf!“

Dein Laden, dein Leben,
du dachtest wohl lange,
es würde nie mehr etwas anderes geben,
aber das Leben ist nicht fair,
nein, es ist wie es ist,
man kann jammern, man kann klagen,
am Ende muss man es immer irgendwie ertragen,
und die Zeit geht vorbei,
egal wie schwer,
mit dir oder ohne dich,
das interessiert sie nimmermehr.

Einer lacht, einer weint,
einer stirbt, einer lebt,
für den einen ist es zu früh,
für den anderen schon viel zu spät,
du bist nicht ich,
ich bin nicht du,
und die Zeit rennt und rennt und rennt,
uns fort immerzu,
man muss sie sich nehmen,
oder sie verrinnt einem im Nu.

So viel Begeisterung wie auf dem Schild,
steht dir nicht in dein Gesicht geschrieben,
es ist dir ein Teil deines Lebens zerbrochen,
und ich hoffe du wirst die Kurve kriegen.

Zwei Maskierte treten hinein,
es wirkt wie ein Raubzug auf mich,
nicht lange und die Wände werden erkalten,
in deinen Büchern ein letzter roter Strich.

Ich winke zum Abschied,
du nickst mir verstehend zurück,
ich wünsche dir Kraft,
und Geduld und viel Glück.

Morgengejammer

Ich liege herum und überlege,
was ich mit diesem Tag machen kann,
der da hinter meinen Rollos tropft und gluckert,
taubengrau durch dessen Ritzen leuchtet,
Morgen und Abend verschwimmen lässt,
ist mir recht so,
will nicht rausgehen,
will nicht aufstehen,
Lustlosigkeit bindet mich ans Bett,
habe keine Lust auf Menschen,
keine Lust auf die Montagsfrage:
„Was hast du im Urlaub gemacht?“

Nichts

Nichts irritiert viele, nichts ist „verlorene“ Zeit,
wie neidisch wären wieder andere,
die nie zum Nichtstun kommen,
zur Ruhe, welche dieses bieten kann,
wenn man es warm und offen empfängt,
tropf, tropf, plick, plack,
Gelächter unten an der Straße,
gedämpfte Worte, geht weg,
lasst mich, will nichts hören, sehen, denken,
Licht an, Medikamente rein,
tue also doch wieder etwas,
ich nehme ein Buch vom Nachttisch und lese,
lese von Säufern, also Schriftstellern früherer Jahre,
lese von Bomben und Soldaten,
von denen zu viele ins Nichts gingen,
denen das Nichtstun nicht vergönnt war,
Nichtstun, weniger Kreuze und Freunde im Boden,
Nichtstun, weniger Schreie nach fernen Müttern,
Nichtstun, kleinere Zahlen in endlosen Tabellen,
herrje, ich bin viel zu melancholisch,
und gespalten, so früh am Morgen,
aber die dunklen Gedanken,
sie machen mich gleich erheblich dankbarer,
ich koste das Privileg in aller Fülle aus,
schätze jetzt meine Kinderlosigkeit,
erinnere mich dann aber auch wieder an die Stille,
jenes breiige Etwas,
das mich mit Einsamkeit umschloss,
als ich die Woche zuvor im Bett brachlag,
mir das Nichtstun zum argen Leid wurde.

Da rauscht der Rollladen nach oben,
fieses Luder, Ruhestörerin, Tuende,
ich habe den Mensch daneben vergessen,
der nicht mehr schlafen kann,
wenn ich störend mit dem Stift auf das Papier kratze,
einen Teil von dem hier festhalte,
fieses Luder, selber schuld,
ich sehe den Oktobertag in seiner Fülle,
und versuche ihn festzuhalten:
Marmorplattenhimmel, Herbstgelumpe, Schnupfenbringer,
Nichtstunwollenaberdochimmerirgendetwastunwetter,
bin unzufrieden, also mehr Gekratze,
wild Durchgestrichenes,
ich lasse mich selbst nicht in Ruhe,
will Zärtlichkeit, rufe nach ihr,
höre als Antwort nur die Klospülung,
muss jetzt auch, der Körper ist wach,
habe Druck, habe Hunger,
verdammtes Musstun,
würde jetzt gerne laufen lassen,
nicht die Endgültigkeit des Aufstehens,
den Beginn des Tages hinnehmen müssen,
aber geht nicht, naja, geht schon,
ist aber in seiner Folge wieder mit mehr Tun verbunden,
schrecklich, nur am Jammern der Mann,
Frühstück ankündigende Geräusche,
das Klappern von Geschirr,
Radio, ihr lieblicher Gesang dazu,
Wasserkochergeblubber,
Stühleschieberei,
ich werde gerufen,
und dann,
dann empfängt mich in der Küche ein verstehendes Munkwinkelschmunzeln,
ein Kuss auf die Wange und eine warme Hand auf dem Rücken,
und ich kann das Aufstehen, das Tunmüssen,
das Tropfen und Glucksen hinter den Scheiben,
den Vorzeigeregenwettertag,
ohne weiteres Murren,
und mit einem Lächeln akzeptieren.

Einen Blick voraus

Ich bin ein gewöhnlicher Mann,
aus einer anderen Zeit,
und nicht jene Person,
welche diese Worte niederschreibt.

Geweckt werde ich,
von einer inneren Melodie,
perfekt eingestellt auf mich,
so verschlafe ich nie,
und würde ich liegen bleiben,
würde die Stimme sodann im Klange steigen,
bis nichts mehr ist mit Ruhe,
und ich all jenes,
was bestimmt wurde tue.

Mein Interface wird aktiviert,
hat man mir doch schon als Säugling,
etwas in die Netzhaut hineinimplantiert,
mein genetischer Code,
ist auch vorsequenziert,
bin genrein geboren,
werde aus wolkigen Höhen,
zum längeren Leben regiert,
denn Vorschrift ist ein Wechsel,
der Organe im Jahrzehnt,
damit ich nicht mehr vergehe,
und meine Spanne sich dehnt,
die ich lebe und mache,
was die Herrschaft verlangt,
wie es Sie sicher nicht wundert,
ist die Lage gespannt.

Es regt sich die Masse,
der Unmut wird laut,
man greift zu den Waffen,
Rebellion sich aufbaut,
und auch ich bin ein Teil,
von all jenen, die leiden,
dem am Ende des Monats,
nur noch Krümel verbleiben,
darum werde ich mich melden,
mit verborgenen Signalen,
werde kämpfen und siegen,
lasse die Herrscher bezahlen,
doch Vorsicht ist geboten,
denn was ich sehe sieht sie,
der niemals schlafende Wächter,
meine persönliche AI,
nur was ich denke und fühle,
ja dies weiß sie noch nicht,
und würde sie es können,
es wäre ein kurzes Gericht,
doch auch sie kann man täuschen,
und bald werd ich es tun,
mich der Bewegu…

Oh, stopp, halt,
mein linker Arm vibriert,
ich lege ab den Helm,
der jene Zeilen dort oben hat simuliert,
denn werter Leser, werte Leserin,
ich muss nun eröffnen,
es war nur ein Spiel mit viel Tragik darin,
im wirklichen Leben,
ist es längst nicht so schlimm,
da gibt es noch nicht so viel,
und das Leben ist leicht,
es lebe die Robotik,
sie hat den Haushalt erreicht,
und mein solarbetriebener Helfer,
mir das Drohnenpaket überreicht,
ich wurde in zwei Welten geboren,
kann frei zwischen ihnen gleiten,
die eine mit Gesetzen,
die andere mit unendlichen Weiten,
die Technik gibt viel Zeit,
welche nun für spannende Spiele,
und Müßigkeit bleibt,
bis bald.

Am Zebrastreifen

Du stehst da,
streckst brav den Arm nach vorne,
doch sie wollen dich nicht sehen,
fahren weiter, erst das vierte Auto hält an,
du strahlst fröhlich in den dunklen Morgen,
doch sie können deine Freude nicht teilen,
du bist, wie sie es einst waren,
doch sie haben sich selbst vergessen,
und so stehst du am Zebrastreifen,
und kannst nicht gleich passieren,
mit deinem dicken Ranzen,
mit den leuchtenden Streifen,
mit der Unschuld im Blick,
würdest du verstehen,
wie das Leben die Menschen verändern kann,
du würdest rennen zurück.

Kleiner Wunsch

Du wünschst dir etwas von mir,
etwas Kleines, drei Worte,
so hast du es gesagt,
DIE drei Worte,
das hast du nicht gesagt,
etwas Kleines,
so beiläufig hast du es dahergesagt,
nein, nicht einmal gesagt,
bloß nur geschrieben,
mir die Entscheidung hingeworfen,
wie ein nasses Zeitungspaket,
und jetzt taumele ich,
wie das Herbstlaub durch die Straßen,
möchte vom Regen weggespült werden,
hinunter in die dunklen Schlunde unter den Gittern,
denn ich habe Angst,
schreckliche Angst,
vor diesen drei Worten,
was mir zeigt,
dass ich nicht bereit bin,
sie zu sagen,
und hinter ihnen zu stehen.

Diese drei Worte willst du haben,
etwas Kleines, das wünschst du dir,
eins, zwei, drei,
drei Worte:
Ich mag Schildkröten.
Dame schlägt Bauer.
Grießbrei, Traktor, Nagel,
drei Worte gesagt,
würden sie dir bloß genügen,
wäre ich nicht mehr gefangen,
in mir selbst,
würde ich wieder lächeln,
und dabei auch etwas fühlen.

Ich kann viel sagen,
und nicht meinen,
und wenn ich nicht meine,
und du merkst es,
und du sprichst mich darauf an,
und ich bin ehrlich,
was dann, gehst du dann?
Wohin? Wegen drei Worten,
die ich noch nicht sagen kann,
noch nicht sagen will,
aber anscheinend sagen muss,
weil du es dir so wünschst.

Ich bin randvoll mit Verzweiflung,
und du schreibst einfach weiter,
dein Wunsch ist schon wieder verschwunden,
doch kann nicht von mir vergessen werden,
ich muss hochscrollen,
scrolle gleich wieder runter,
will ihn nicht sehen,
etwas Kleines,
drei Worte,
kaltes Eisen im Magen,
Feuersbrunst auf der Stirn,
Asche in der Lunge,
auf und davon,
zu dir hin, für immer,
so endgültig, oder eben auch nicht,
wenn ich es nicht meine,
was ich da sage,
Wunsch ist nicht gleich Wunsch,
und etwas Kleines,
drei Worte,
können mehr sein,
als der Rest der Welt,
schwerer als die Kugel selbst.

Mauerfall

Die Mauer, die ich einst um mich erbaute,
von ihr sind nur noch Trümmer geblieben,
der kleine Junge dahinter,
er weint nicht mehr in der Dunkelheit,
muss sich nicht mehr verstecken.

Als das Vertrauen zerbrach,
blieb nur die Flucht nach innen,
in die Stille der Seele,
höher und höher,
dicker und dicker,
wurde dort eine Mauer gebaut,
bis sicher vor Schmerz,
und alle Gefühle,
wurden zur Maske,
das Lachen, Humor als Schild,
das Mitgefühl, in Wirklichkeit kalt wie Eis,
und wenn die Liebe an die Mauer klopfte,
stand sie verloren da,
konnte sie nicht überwinden,
ging traurig fort,
und der kleine Junge weinte im Verborgenen,
den wundervollen Momenten nach,
die nie existieren durften,
blieben nur Träume,
in der Dunkelheit seiner Seele.

Doch irgendwann klopfte es mal wieder,
und die Liebe stand vor der Mauer,
doch machte nicht kehrt,
nein, setzte sich hin und blieb geduldig,
fühlte, was dahinter gut verborgen war,
schmerzend sich wand,
lieben wollte, doch nicht konnte,
vor Angst, keine Verletzung ertragend,
die Liebe blieb,
und trug Stein für Stein ab,
bis die Mauer fiel,
und sie den kleinen Jungen in den Arm nahm,
der nie mehr weinen musste.

Danke