Ausstieg

„Du nervst mich“, sagte sie, „weißt du das?“
„Nein“, erwiderte er und sah sie nicht an.
Draußen rauschte ein altes, mit Graffitis besprühtes Fabrikgebäude vorbei.
„Hörst du? Du nervst mich“, sagte sie wieder und kratzte mit den Fingernägeln so fest auf ihrer schwarzen Ledertasche herum, dass es helle Spuren hinterließ.
„Ja, ich weiß“, entgegnete er.
„Und?“
„Wird Reden es besser machen?“
„Nein, ich denke nicht.“
Sie schwiegen sich an und blickten beide aus dem Fenster. Der Zug kletterte einen kleinen Hügel hinauf und sie konnten am Hang unter ihnen herbstbunte Reben sehen, zwischen denen hier und da jemand einer Arbeit nachging.
Sie brach zuerst die Stille.
„Das ist es also“, stellte sie fest.
Er sah immer noch raus, richtete seinen Blick in den Himmel, in die Wolken und antwortete nicht, aber sie erwartete auch keine Antwort mehr.
Sie fuhren ratternd über eine Brücke, unter der eine Straße verlief.
Kaum Verkehr, weil Dienstagmittag, angenehm warmes Abteil, keine Fahrscheinkontrolle und eindeutig zu viel Nüchternheit während der zwei Stunden Zugfahrt, zu viel Zeit zum Nachdenken, für Zweifel, viel zu viel, wenn man so zusammen reist, ging es ihm durch den Kopf. Sie saß da und sah ihn an, ganz genau, wie eine Malerin, die ein Porträt beginnen wollte.
Noch zwei Stationen, ein paar Minuten vor der Endgültigkeit.
„Es war schön, solange es schön war“, sagte sie noch, bevor sie sich von ihrem Platz erhob. Sie gaben sich eine letzte lange Umarmung und beiden war unwohl dabei, beide warteten darauf, dass der andere zuerst losließ.
„Ja, es war schön“, sagte er ihr ins Ohr, drückte sie noch einmal fester an sich und gab sie dann frei. Es piepte laut, bevor der Türknopf Grün zeigte und die Türen aufschwangen. Dann war sie fort.


2 Gedanken zu “Ausstieg

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